In unserem Artikel beleuchten wir die verschiedenen Stadien und Antriebskräfte der MES Evolution, zeigen ihre jeweiligen Vor- und Nachteile auf und wagen einen Blick in die Zukunft der MES Systeme:
Antriebskräfte der MES Evolution
Angetrieben durch die permanente Suche nach Effizienz, Präzision und Flexibilität, haben sich Fertigungsunternehmen stets an die Spitze der technologischen Innovationen gesetzt. Eine Schlüsselkomponente im Streben nach Verbesserung ist das Manufacturing Execution System (MES), ein Informationssystem zur effektive Steuerung und Optimierung der Produktion.
Die kontinuierliche Optimierung von Produktionsprozessen durch den Einsatz fortschrittlicher MES Systeme führt zu signifikanten Effizienzsteigerungen und einer erhöhten Transparenz in der Fertigungsindustrie. Angetrieben von der Suche nach kostengünstigeren MES Lösungen und schnellen Einführungszeiten, hat sich im Laufe der Zeit die MES Architektur von lokalen Installationen (On-Premises) über hybride Modelle bis zu vollständig Cloud-basierten MES Produkten weiterentwickelt.
On-premises MES - der solide Klassiker
Die Anfänge von MES-Systemen reichen zurück in die späten 1970er und frühen 1980er Jahre, als Unternehmen begannen, computergestützte Systeme einzuführen, um die Effizienz ihrer Produktionsprozesse zu steigern. Diese frühen Systeme werden vollständig vor Ort installiert, maßgeschneidert für die spezifischen Anforderungen jedes Unternehmens.
Vorteile:
- Kontrolle und Sicherheit: On-Premises MES-Systeme bieten Unternehmen volle Kontrolle über ihre Daten und Prozesse. Da alle Informationen intern gespeichert werden, haben Unternehmen die Sicherheit und die Verantwortung, dass ihre sensiblen Daten nicht über das Internet übertragen oder auf externen Servern gespeichert werden.
- Cybersecurity:
Unternehmen haben mittlerweile erkannt, dass erhebliche Mittel zum Schutz einer eigenen IT-Infrastruktur aufgewendet werden müssen - und erkennen dann doch oftmals, dass der Schutz doch nicht ausreichend war.
Eine Umfrage von Bitkom im Rahmen des "Wirtschaftsschutz 2021" Berichts hat ergeben, dass 88% der befragten Unternehmen in den letzten 12 Monaten Opfer von Diebstahl, Industriespionage oder Sabotage geworden sind, ein Anstieg von 13 Prozentpunkten im Vergleich zu zwei Jahren zuvor.
Besonders betroffen ist der Mittelstand, bei dem die gleiche Umfrage zeigt, dass 88% der Unternehmen zwischen zehn und 99 Mitarbeitern von solchen Vorfällen betroffen waren.
- Anpassung: Lokale MES-Lösungen werden in der Regel individuell angepasst, um spezifische Anforderungen und Prozesse eines Unternehmens zu erfüllen. Diese maßgeschneiderten individualisierten MES Systeme ermöglichen eine optimale Integration in bestehende Produktionsabläufe.
Herausforderungen:
- Hohe Anfangsinvestitionen (CAPEX): Die Implementierung eines On-Premises MES erfordert erhebliche Investitionen in Hardware und Software sowie in die Schulung des Personals.
- Die IT-Investitionskosten liegen typischer Weise deutlich über 100.000 EUR.
- Die IT-Hardware ist aus Sicherheitsgründen, nach spätestens vier Jahren zu erneuern.
- Wartung und Updates - hohe laufende Kosten: Unternehmen sind selbst für die Wartung, Updates und Sicherheitsmaßnahmen verantwortlich, was zusätzliche interne Ressourcen bindet.
- Die Kosten eines eigenverantwortlich betriebenen MES belaufen sich auf mehrere 10.000 EUR pro Jahr.
- Die lokale IT-Infrastruktur (Hardware und Software) ist permanent von einem internen oder externen Dienstleister zu überwachen und bei Ausfall mit kurzer Reaktionszeit rasch wieder in Gang zu setzen - ggf. ist eine 24/7 Rufbereitschaft zu organisieren.
- Das eigentliche MES Informationssystem ist an die sich permanent ändernden IT-Rahmenbedingungen (Betriebssystem, Frameworks, Ersatz von IT-Diensten, Schnittstellen, etc. ) anzupassen. Dies verursacht jedes Jahr hohe laufende Kosten.
- Skalierbarkeit: Die Erweiterung der Produktionskapazitäten ist durch die begrenzte Flexibilität lokaler Systeme erschwert.
- Erweiterungen und Anpassungen eines On-Premises MES gehen mit weiteren Investitionskosten einher.
- Die Anzahl der Experten, die ein individualisiertes MES betreuen können, reduziert sich auf Grund der Komplexität stetig und nimmt über die Jahre durch Personal-Fluktuation zusätzlich ab.
- Auf Grund des fehlenden Wettbewerbs und stark eingeschränkten Alternativen, sind die Kosten für eine MES Skalierung und Erweiterungen in der Regel recht hoch.
Cloud-hosted MES - der Klassiker im modernem Anstrich
Mit dem Aufkommen der Cloud-Technologie in den 2000er Jahren begannen Unternehmen, die Vorteile der Cloud für die Speicherung und Analyse von Daten zu erkennen.
Mit Cloud-hosted MES und Hybrid MES entstanden Lösungen, die es Unternehmen ermöglichte, teilweise in die Cloud zu migrieren, ohne ihre bestehenden On-Premises Systeme vollständig aufzugeben. Letztlich handelt sich aber weiterhin um klassische MES Informationssysteme, deren zentrale Server-Komponente vom lokalen Serverraum eines Unternehmens in ein Rechenzentrum eines IT-Infrastruktur Providers "in die Cloud" verlagert wurde. Dieser Ansatz wird auch als "lift and shift" MES bezeichnet.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind - auf die gesamte Laufzeit eines MES gesehen - für die Unternehmen letztlich gering, da "nur" der MES Server sich an einem anderen Ort befindet. Ein Vorteil ist, dass die benötigte IT Hardware schnell gemietet werden kann. Eine nachträgliche Skalierung der Hardware-Kapazitäten (RAM, Festplatte, ...) ist ein weiterer Vorteil.
Die generellen Herausforderungen eines On-Premises MES sind aber weiterhin zu beachten. Dies gilt insbesondere auf die immer wichtiger werdende Cybersecurity. Hinzu kommt, dass beim Datenkanal vom lokalen Unternehmen zum externen MES-Server auf Performance und Redundanz zu achten ist (Zusatz-Kosten).
Zusätzliche Herausforderungen:
- Komplexität der Integration: Die Verbindung von On-Premises- und Cloud-Komponenten ist eine technischen Herausforderung, insbesondere in Bezug auf die Datenkonsistenz und -sicherheit, die sichergestellt sein muss.
- Abhängigkeit von Internetverbindungen: Die Zuverlässigkeit von Cloud-Diensten in einem Cloud-Hosted oder hybriden MES hängt, abgesehen von der Redundanz des externen MES Servers, zusätzlich von der Qualität der Internetverbindung ab. Dieser ist durch ein entsprechende Redundanz-Auslegung der Glasfaser-Anbieter und Leitung mittlerweile gut in den Griff zu bekommen.
Cloud-native MES - der revolutionäre Sprung in die MES Zukunft
Die Entstehung der ersten Cloud-nativer MES-Systeme in den 2010er Jahren markierte einen signifikanten Wendepunkt. Diese Systeme wurden von Grund auf für die Cloud neu entwickelt, um die Vorteile der Cloud-Computing-Architektur voll auszuschöpfen, einschließlich Flexibilität, Skalierbarkeit und Effizienz.
Cloud-native MES-Produkte repräsentieren den neuesten Stand der Technik in der Fertigungsindustrie, indem sie die Vorteile der Cloud-Computing-Technologie voll ausschöpfen. Sie bieten eine Vielzahl von Vorteilen, stehen aber auch vor spezifischen Herausforderungen:
Vorteile
- Skalierbarkeit: Die Cloud-native Architektur ermöglicht es, Ressourcen dynamisch anzupassen, um den aktuellen Bedürfnissen gerecht zu werden, ohne dass kostspielige und zeitaufwändige Hardware-Upgrades erforderlich sind.
- Flexibilität und Agilität: Cloud-native MES unterstützen eine schnellere Entwicklung und Bereitstellung neuer Funktionen sowie eine einfache Anpassung an veränderte Geschäftsprozesse oder Marktanforderungen.
- Kosteneffizienz: Durch "pay-as-you-go" bzw. Software-as-a-Service (SaaS) Preismodell können Unternehmen erheblich bei den Betriebskosten sparen, da sie nur für die tatsächlich genutzten Ressourcen bezahlen.
- Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit: Cloud-Anbieter garantieren hohe Verfügbarkeitsraten durch redundante Systeme und Datenzentren, was die Betriebskontinuität sichert.
- Sicherheit und Compliance: Cloud-native Lösungen bieten fortschrittliche Sicherheitsfeatures, die laufend aktualisiert werden, um den neuesten Bedrohungen zu begegnen. Zudem erleichtern sie die Einhaltung von Compliance-Standards durch integrierte Funktionen und Zertifizierungen.
- Innovationsgeschwindigkeit: Unternehmen profitieren von der kontinuierlichen Verbesserung und Einführung neuer Technologien durch den Cloud-Anbieter, ohne eigene Investitionen in Forschung und Entwicklung tätigen zu müssen.
- Verbesserte Datenanalyse: Die Integration von Big Data und analytischen Tools in Cloud-native MES ermöglicht tiefgreifende Einblicke in Produktionsprozesse und unterstützt datengetriebene Entscheidungen.
Herausforderungen
- Internetabhängigkeit: Die Zuverlässigkeit von Cloud-native MES ist direkt abhängig von der Internetverbindung, was in Gebieten mit schlechter Konnektivität zum Problem werden kann.
- Datensicherheit und Datenschutzbedenken: Obwohl Cloud-Anbieter umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, bestehen Bedenken hinsichtlich der Sicherheit sensibler Daten, insbesondere in Branchen mit strengen Datenschutzvorgaben.
- Komplexität der Migration: Die Umstellung von einem bestehenden On-Premises System auf ein Cloud-native MES kann komplex sein und erfordert sorgfältige Planung und Ausführung. Von Vorteil ist, dass beide Systeme parallel betrieben können und eine schrittweise Migration risikoarm möglich ist.
MES - der Wegbereiter für Nachhaltigkeit und Industrie 5.0
Industrie 4.0 - bei diesem aktuellen Ansatz, der durch Digitalisierung, Vernetzung und intelligente Automatisierung in den Fertigungsprozessen gekennzeichnet ist, sind Manufacturing Execution Systems (MES) ein zentraler Bestandteil. MES-Software bildet das Rückgrat, das nicht nur die Transparenz und Steuerung auf jeder Ebene der Produktionsprozesse verbessert, sondern auch eine nahtlose Integration zwischen der operativen Ebene der Fertigung und den strategischen Zielen des Unternehmens ermöglich. Das operative MES verbindet den Shopfloor mit dem übergeordneten ERP-System.
Die Vorteile von Cloud-nativen MES-Produkten gegenüber On-Premises MES-Lösungen sind besonders relevant, wenn es um die Skalierbarkeit, Flexibilität und Effizienz geht, die für die dynamischen Anforderungen der Industrie 4.0 entscheidend sind.
Bei Industrie 5.0 stehen Manufacturing Execution Systems (MES) im Zentrum der digitalen Transformation. Während Industrie 4.0 den Weg für Automatisierung und Datenintegration ebnete, richtet Industrie 5.0 den Fokus neu aus – hin zu einer menschenzentrierten, nachhaltigen und flexiblen Fertigung. Cloud-native MES spielen dabei eine Schlüsselrolle, indem sie die Brücke zwischen fortschrittlicher Technologie und menschlichem Einfluss bilden. Industrie 5.0 berücksichtigt aus MES-Sicht folgende Aspekte:
- Personalisierung und Flexibilität
Insbesondere Cloud-native MES bieten eine nie dagewesene Flexibilität, die es ermöglicht, Produktionsprozesse schnell und effizient an individuelle Kundenwünsche anzupassen. Diese Agilität ist ein Kernmerkmal von Industrie 5.0, das eine maßgeschneiderte Produktion in den Vordergrund stellt.
- Integration von Mensch und Maschine
Die Echtzeitdatenverarbeitung und -analyse von MES Systemen, unterstützt von kommenden KI-Assitenten, verbessern die Entscheidungsfindung und Prozesssteuerung. Moderne MES Produkte incl. Smart-Phone Apps ermöglichen eine intuitivere und effektivere Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und Maschinen, was den menschenzentrierten Ansatz von Industrie 5.0 unterstreicht.
- Nachhaltigkeit und Effizienz
Nachhaltigkeit ist ein weiteres Schlüsselelement von Industrie 5.0. MES Systeme tragen dazu bei, indem sie eine optimierte Nutzung von Ressourcen und eine Verringerung der Verschwendung ermöglichen. Die präzise Überwachung des Energieverbrauchs und der Materialnutzung führt zu einer nachhaltigeren Produktion.
- Verbesserte Zusammenarbeit
Insbesondere die Cloud-Technologie erlaubt eine nahtlose Integration mit anderen Unternehmenssystemen und fördert so die interne und externe Zusammenarbeit. Dies ist entscheidend für die agilen und kollaborativen Arbeitsweisen, die in Industrie 5.0 gefordert werden.
- Resilienz und Anpassungsfähigkeit
Die modulare und serviceorientierte Natur von cloud-native MES sichert eine hohe Resilienz und ermöglicht schnelle Anpassungen an veränderte Umstände. Dies unterstützt Unternehmen dabei, in der dynamischen Landschaft von Industrie 5.0 wettbewerbsfähig zu bleiben.
- Unterstützung für verteilte Produktionsnetzwerke
Cloud-native MES erleichtern die Verwaltung verteilter Produktionsstätten und unterstützen die Vision von vernetzten, kollaborativen Produktionsökosystemen. Sie ermöglichen einen zentralisierten Zugriff auf Daten und Anwendungen, was für die Umsetzung von Industrie 5.0 unerlässlich ist.
Die Implementierung von MES, insbesondere in einer Cloud-nativen Form, ist somit nicht nur für die Industrie 4.0 Herausforderungen von entscheidender Bedeutung, sondern stellt auch den zukunftsweisende Schlüssel dar, um Unternehmen für die Anforderungen und Möglichkeiten der Industrie 5.0 Vision zu rüsten.
Sie bieten die notwendige technologische Grundlage für eine flexible, menschenzentrierte und nachhaltige Produktion. Indem sie Personalisierung, Effizienz und Zusammenarbeit verbessern, ermöglichen cloud-native MES-Systeme Unternehmen, die Herausforderungen der modernen Fertigungsindustrie zu meistern und sich für die Zukunft und Nachhaltigkeitsziele zu rüsten.
Fazit
Die MES Evolution spiegelt den allgemeinen Trend in der IT-Landschaft und den Business-Modellen wider. Jede MES-Architektur hat ihre eigenen Vor- und Nachteile, die Unternehmen bei der Auswahl zur Erfüllung ihrer spezifischen Bedürfnisse berücksichtigen sollten.
Während die Zukunft zweifellos in der Cloud liegt, ist der Weg dorthin für jedes Unternehmen einzigartig und erfordert eine sorgfältige Planung und Implementierung. Die kontinuierliche Innovation im Bereich der MES-Technologie verspricht eine spannende Zukunft für die Fertigungsindustrie, in der Flexibilität, Effizienz und Integration an vorderster Front stehen.
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